Der dumme Neid.

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Ich hasse den Anblick von Hüllen großer Talente, die der Neid zerfressen hat, bevor sie sich entfalten konnten. Schlaflos machen mich auch die Opfer des Neides, denen dieses Unrecht widerfährt. Was soll diese unnütze Emotion eigentlich? Was kann man tun, wenn man ohnmächtig ist vor Neid? Wie geht man als Beneideter mit Neidern um? Kann man dieses Unkraut auch jäten? Diesen Fragen werde ich in den nächsten Tagen nachgehen.

Dem Wollüstigen gefällt die Hurerei ausgesprochen, der Maßlose lässt sich den Schweinskopf schmecken. Eitle Damen finden im Spiegel ihr Glück, und dem Geizigen gefällt, nichts teilen zu müssen. Nur der Neider hat keine Freude an seinem Laster. Das einzige, worin er sich suhlen kann, ist seine selbstzerstörerische Misere. Es ist kein Zweifel, dass Neid die dümmste unter den Sünden ist. Dumm ist der Neid nicht nur, weil man ihm nichts Positives abgewinnen kann. Neid ist dumm, weil er aus fehlerhaftem Denken erwächst. Der Neider leidet an einem selbstgeschaffenen Phantom, das ihn zerfrisst, ehe er seine Falschheit durchschauen kann. Wären wir in einem mittelalterlichen Gemälde, würde uns der Neid vermutlich in der allegorischen Gestalt einer zerfallenden Vettel begegnen, die faulzahnig an ihrem eigenen Herzen nagt. Ein treffendes Bild!

Über das Gefühl des Neides kann man sagen, dass ihm bestimmte zu hinterfragende Annahmen zugrunde liegen. Erstens: Das, was der Beneidete hat, ist toll. Zweitens: Der Beneidete misst der Sache denselben Wert zu wie ich. Und drittens: Meine Vorstellungen vom Glück, das diese Person aus dem Besitz der Sache zieht, stimmen mit ihrem subjektiven Glück überein. Im praxisnahen Beispiel könnte Neider Fritzi denken: „Also, Murmels Blog ist eins der meistgelesenen in Deutschland. Man, das ist toll! Ich wette, Murmel geht da jeden Tag einer ab, bei den Besucherzahlen. Wenn ich so gut schreiben könnte, hätt ich voll das Traumleben. Wie Murmel.“ Schön wäre, wenn Fritzis Gedankengang nun eigene Initiative folgen würde. Wenn Fritzi Top-Blogger werden wollte, könnte er sich ein Beispiel an Murmel nehmen und ebenfalls jeden Tag stundenlang Recherchen zu diversen Themen treiben, um am Abend in der Lage zu sein, einige kluge Sätze darüber zu schreiben. Leider kommen die meisten Bewunderer nicht über diesen Schritt hinaus. Die Einsicht, selbst nicht auf Anhieb zu können, was der Beneidete scheinbar mühelos kann, ist lähmend, entmutigend, ein Angriff auf das Selbstbewusstsein. Was dann folgt, ist ein alberner Schwanz an Gedanken, die auf irrationalste Weise das geknickte Selbst wiederaufzurichten suchen.
Das Erste, was man gegen die Bedrohung unternehmen kann, ist, die Legitimität des Bewunderten anzuzweifeln. Der Neider sucht nach Widersprüchen, Fehlern und Unvollkommenheiten, einzig um nachweisen zu können, dass die beneidete Person der eigenen schmerzenden Idealvorstellung von ihr nicht standhält. Wenn Fritzi sich selbst (und am besten auch anderen!) klarmachen kann, dass der König seinem Status nicht gerecht wird, hat er die Illusion, die Chancen stünden für ihn besser, eines Tages selbst den Thron zu erklimmen. Das ist im Grunde die Denke heranwachsender Mädchen, die für einen Star schwärmen und meinen, sie könnten ihn heiraten, wenn er sich nur von seiner blöden Promi-Freundin trennen würde.

Im Internet wuchert der Neid, man begegnet ihm in Blogkommentaren und Amazon-Rezensionen. Er tarnt sich als legitime Kritik und scharfsinniger Rant und sein Ausdruck findet nicht selten Beifall. Aber er zerstört beide: die Neider und die Beneideten.  Natürlich kann man nicht jedem Kritiker Neid vorwerfen. Solange jedenfalls nicht, wie er auf der sachlichen Ebene bleibt und seine Argumentationsgrundlage transparent hält. Aber was soll man von Leuten halten, die sich drei verschiedene Amazon-Accounts anlegen, um mit mäßig gelungener „Stimmverstellung“ den Autor eines Buches zu „verreißen“? Dem Phänomen der engagierten, ausufernden Negativ-Rezi begegnet man eigenartigerweise selten bei den ganz Großen, auch wenn die schon mal ziemlichen Scheiß veröffentlichen. Es sind die „Promis“ aus dem Netz, die den größten Neidattacken ausgesetzt sind. Menschen wie Sascha Lobo, Jan-Uwe Fitz oder Ada Blitzkrieg. Warum? Weil sie „jedermann“ sind. Weil sie nicht ins Netz herabgekommen sind aus dem Fernsehen, sondern nur Typen mit einem Laptop sind, wie du und ich. Und weil sie Aufmerksamkeit generieren, nach der wir uns selbst so sehnen. Neidisch ist man in Nerd-Kreisen nicht auf die Prinzessin von Monaco oder Boris Becker, sondern auf  Leute, die etwas erreicht haben, das man selbst hätte erreichen können oder wozu man wenigstens in der Lage zu sein meint. Und so liest man aus Kommentaren, Rezensionen und dergleichen immer den Schmerz über den Erfolg der Anderen heraus, der im Grunde nur eine Negativfolie für die eigenen Gefühle der Unzulänglichkeit und des Versagens vor dem eigenen Anspruch ist. Ergo: dem Beneideten wird Schmerz zugefügt, als eine Art „Rache“ dafür, dass man selbstverschuldete Schmerzen leidet. Weil man so viel zerstörerische Energie in den Neid steckt, verkrüppelt man sich selbst bis zur Handlungsunfähigkeit. Noch ferner rückt damit das Ziel, selbst auf den grünen Zweig des Erfolges zu kommen. Und ist das nicht dumm?

Gewiss würde manchem Neider helfen, einen Blick auf die andere Seite des Neides zu werfen. Dazu eine Anekdote aus meinem faden Leben:

Zu einem Selbstbild als Beneidete war ich nie in der Lage. Außer Rambo auf VHS hatte ich nichts, das die Bewunderung Anderer auf sich ziehen konnte. Ich war unscheinbar, schüchtern und still. Niemand riss sich darum, mit mir befreundet zu sein. Nur im Kunstunterricht wollten alle neben mir sitzen, ich konnte nämlich gut zeichnen. Die Bewunderung, die mir zuteilwurde, war wohlwollender Natur. Während dieser zwei Stunden im Kunstraum fühlte ich mich wertvoll und geschätzt. Die  Bestätigung löste einige zwischenmenschliche Blockaden. In der Acht wurde im Rahmen irgendeines Projekts eine Klassenzeitung nach Art einer Abi-Zeitung produziert und die Schüler charakterisierten einander in mittelmäßigen Artikeln. Über mich stand drin: „Von vielen wird sie um ihr Schreibtalent beneidet.“ Und ich so: Häää??? Wieso denn ausgerechnet beneidet? Dass Neid hier nicht als Bewunderung, sondern als Missgunst gemeint war, erfuhr ich schon bald in Form persönlicher Geständnisse und vertraulicher Berichte: „Die haben ein Problem mit dir, weil du dies und jenes kannst.“ Es hat mich absolut verstört, um etwas beneidet zu werden, von dem ich dachte, dass es allen Freude bringt. Ich kannte Neid aus anderem Zusammenhang. Überall gab es die selbsterklärten Übermenschen aus der letzten Reihe, die es darauf ankommen ließen, beneidet zu werden. Wenn andere sich mies fühlten, ging es ihnen gut. Es waren Mobber, Markenprolls, verwöhnte Bildungsbürgerkinder. Reich & Schön der Schulhofwelt. Mit allem, was sie taten, wollten sie demonstrieren: Wir sind oben, weil ihr unten seid. Das war nun das Letzte, was ich wollte, wenn ich zeichnete oder schrieb. Ich tat es, um meine Freunde zum Lachen zu bringen. Um gemocht zu werden. Und natürlich, weil es mir Spaß machte.
Bis zum heutigen Tag ist es ein Schlag ins Gesicht, um etwas beneidet zu werden, mit dem ich niemandem wehtun will.  Neider geben Internet-Kreativen das Gefühl, Bösewichte zu sein. Egozentrische Wichtigtuer, eingebildete Selbstdarsteller, aufmerksamkeitsgeile Dilettanten. Vielleicht hilft’s gegen den Neid, der unbequemen Wahrheit ins Gesicht zu sehen: die meisten Kreativen sind nicht kreativ, weil sie sich über andere erheben wollen, sondern ganz im Gegenteil: weil sie geliebt werden wollen.

Mehr darüber, wie man seine destruktiven Gefühle mit der Kraft von Herz und Hirn bekriegen kann, im zweiten Teil der Neid-Trilogie: Stay tuned!

 

21 Kommentare


  1. // Antworten

    In der Tat habe ich an den heftigen Reaktionen auf Amazon schwer zu knabbern. Ich hoffe, das ist den „Rezensenzen“ Ansporn genug, mir auch in Zukunft, wann immer möglich, eine reinzuwürgen.


    1. // Antworten

      Ärgerlich unnötig, diese Knabbereien, weil alles Originelle naturgemäß polarisiert. Die einen checken’s, freuen sich über das Neue und spenden Beifall, die anderen nehmen dir übel, dass du ihnen die bittere Erfahrung des Unerwarteten beschert hast. Eigentlich sollte das deren Problem sein und nicht deins. Das ist genau die Ungerechtigkeit die mich so brodeln lässt.


    2. // Antworten

      Sehr treffender und tröstlicher Artikel. Als selbst auf allen Ebenen kreativer ‚Jedermann‘ polarisiere ich sehr und daher ab und an im INternet (FB) damit konfrontiert. Besonders, wenn ich mit irgendwas in der Neider Augen Erfolg habe.


  2. // Antworten

    Ich kann dem, was Du sagst, nur zustimmen, aber (hat man vorher gemerkt, dass da noch was kommt, mh?) leider sprichst Du nur von schlechtem Neid. Neid muss man lernen, denn es gibt den gesunden (wie erwaehnten „Orr! Der hat’s drauf! Will ich auch! Mach ich jetz!“) und eben den so haeufig uebertrieben krankhaften. Leider ist das eine deutsche Marotte. In anderen Laendern werden Menschen, die es geschafft haben etwas aus sich zu machen, als Vorbilder gesehen und man ist neidisch. Hier werden jungen Geschaeftsmaennern die BMW’s zerkratzt, weil „die ja irgendwas am Laufen“ haben muessen..

    Ich kann mich hier leider nicht so erklaeren, wie ich das gern wuerde, aber vielleicht versteht mich ja doch Jemand.

    Ich bin gespannt auf die naechsten Teile!

    Lieben neidvollen (da du dich mit dem Thema so auseinandersetzt, wie ich’s mir immer vorgenommen hab) aus der Mutterstadt.

    (Ps: Ich hoffe, das „Du“ stoert Sie nicht. Wenn Doch: Entschuldigen Sie mich bitte.)

    T.


    1. // Antworten

      In den nächsten Tagen wird es hier einen Artikel geben, der sich mit der Frage befasst, wie „deutsch“ die Missgunst ist! Bleib dran! >:-)


  3. // Antworten

    Den Aussagen in Deinem Artikel stimme ich voll zu.
    Ich wundere mich immer wieder wieviel Lebensenergie und Lebenszeit manche Menschen in das Beneiden Anderer stecken.
    Diese Neider vergessen sich an dem selbst erreichten zu erfreuen und es zu geniesen. Warum muss immer mehr erreicht werden (in jeder Hinsicht, nicht nur materiell) als man schon hat.
    In vielen Fällen reicht das Selbsterrichte aus.
    Mit Neid auf Andere blockiert doch nur seine eigene Weiterentwicklung.


  4. // Antworten

    Superguter toller Text! Ich bin auch ganz oft neidisch, aber bei mir ist das immer gut. Ich freue mich wenn ich etwas tolles lese, was so geschrieben ist, wie ich das nie könnte (wie dieser Text hier übrigens auch :)). Das hatte ich zuletzt bei von Uslars „Deutschboden“ so. Das hab ich verschlungen und war superneidisch auf die tolle Sprache, die der da gefunden hat. Ich werde so nie schreiben (können), aber das ist mir egal. Es hat meinen Blick, auf den Ton meiner Schreibsprache verändert und deswegen war und ist das auch ein total guter, konstruktiver Neid meinerseits.

    Aber klar, das Netz ist voll von diesem hasstriefend, verletzenden Neid und ich tu mich auch schwer mit diesem vielzitierten und oftverlangten „drüberstehen“. Ich krieg diesen Neid ja auch immer ordentlich ab. Schlimm ist der übrigens auch dann, wenn der so als fürsorglicher Ratschlag „getarnt“ wird. Uah!

    Allerdings gibt es so eine Art Tretminen im Internet, die vermeide ich schon komplett. Zum Beispiel Kommentare bei neon und jetzt.de. Da trifft sich wirklich die Neid- und Hasselite der Kommentatoren. Wenn ich, was gelegentlich vorkommt, für jetzt.de schreibe, lese ich die Kommentare nicht mehr (vielleicht kann ich die auch bitten, die gleich abzuschalten, das hab ich noch nicht gemacht).

    Ach, ich könnte noch viel mehr schreiben, ich halt mich aber jetzt mal zurück, sonst ufert das noch aus. Danke für den Text!


  5. // Antworten

    Eines fehlte mir noch – es mag sich vielleicht natürlich noch für die Fortsetzung aufsparen – der unberechtigte Neidvorwurf gegen Kritiker.

    In Debatten z.B, in denen es eigentlich eher um Moral oder Ethik geht, und dann Dinge wie Vorstandsgehälter oder dergleichen zur Sprache kommen, wird der Neidvorwurf gerne in den Raum gestellt und fungiert dann dort zuverlässig als ein Totschlagargument, da ein Unschuldsbeweis in Neidfragen schwer zu erbringen ist.

    @T BMWs sind ein prima Punkt. Jeglicher Gedanke, mit welch ehrbarem Verdienst z.B. 20 jährige Jüngelchen es wohl schaffen, in 50.000€-Autos rumzufahren, ist natürlich am simpelsten mit einem „Du bist ja nur neidisch“ entwertet.
    Alle durchaus auch notwendige Diskussion, ob denn alle verdienen, was sie bekommen, ist damit defacto verunmöglicht.


    1. // Antworten

      Der Neid als rhetorische Keule wird tatsächlich ein großes Thema in einem der nächsten Artikel sein. :-)


  6. // Antworten

    Salopp bemerkt: Meine Zeit im Zug verging wie im Flug. Eine geniale Analyse. – Weitere werden mit beneidenswert großer Freude erwartet. :)


  7. // Antworten

    Was ist mit den positiven Aspekten von Neid? Als Inidikator für Missstände, als Antrieb, um Ziele zu erreichen… Ich behaupte, Neid ist notwendig.


  8. // Antworten

    Neid entsteht aus verstörtem Ehrgeiz und ist ein Notprogamm um das Selbstwertgefühl zu retten. Es dient dazu die eigene Handlungsfähigkeit zu erhalten.
    Ich rede mir ein, dass jede wirksame Schöpfung immer Gegenkräfte auslöst. Deshalb ist Gegenfeuer ein guter Indikator für die eigene Wirksamkeit. Herr Grass könnte der Logik nach gerade ganz zufrieden mit sich sein.

    Vielleicht ist meine Erklärung auch nur so ein Notprogramm…


  9. // Antworten

    Da bin ich froh, dass du (mindestens) das Thema „Neid als rhetorische Keule“ noch aufgreifen wirst. Auch wenn ich deinem Text im Ganzen zustimme, beleuchtet er ja nur einen Teilbereich des Kosmos „Neid“. Ich habe (im Zusammenhang mit der o.g. Keule) in letzter Zeit häufiger den Eindruck, dass Neid als das letzte Tabuthema fungiert. Wie krass, oder? Niemand hat mehr ein Problem, sich öffentlich selbst der Faulheit, der Kleinkriminalität, der Völlerei oder Wolllust (um das mal aufzugreifen) zu bezichtigen. Nur neidisch oder unzufrieden, das will niemand sein. Neidisch sein ist das Gegenteil von „Drüberstehen“. Neid schmückt nicht, nie. Aber deshalb hat er auch so eine Kraft. Mir fehlt in den meisten Neiddebatten ein wichtiger Punkt: Es gibt den Neid, wie du ihn oben beschreibst, und klar, dem komme ich am besten bei, indem ich seine Kraft als ziemlich starken Antrieb für mein eigenes Tun nutze. Aber was ist mit dem Neid, dem so eben nicht beizukommen ist? Ich selbst habe zeitweise aus gesundheitlichen Gründen Dinge nicht tun/haben können, die andere als selbstverständlich erachtet haben. Mein Unvermögen, an dem, was „die Welt“ (so schien es mir) „hatte“, teilzuhaben, hat mich so wütend und so unsagbar neidisch gemacht; auf die Selbstgefälligkeit und Undankbarkeit (so schien es mir) derer, die gar nicht wussten, was ein Unglück ist. Und gegen diesen Neid kommt man nicht an. Neid auf Leben, Gesundheit, Essentielles – was soll man denn da produktiv umdeuten? Dieser Neid, er ist Teil der (zugegeben) lehrreichen Erfahrung, dass im Leben nicht alles kontrollierbar, steuerbar und durch Leistung zu verwirklichen ist. Denn auch das Neid(er)-Bashing untermauert doch indirekt diese neoliberale Mär, dass jeder seines Glücks oder Unglücks Schmied ist, und wer sich nur gehörig anstrengt, bekommt selbst das, was er anderen missgönnt. Aber genau so ist es eben nicht. Also lasst dem Neid doch seinen Platz, ebenso wie dem Schicksal. Ist es nicht eine Befreiung zu sagen, dann werde ich eben nicht glücklich in diesem Leben, dann werde ich eine missgünstige alte Hexe, und dann soll mir niemand vorwerfen, ich hätte einfach nur einen schwachen Charakter!?


    1. // Antworten

      Das ist gar kein schlechter Einwurf. Außerdem fehlt mir in dem Text noch die „berechtigte und/oder professionelle Kritik“. Wie unterscheidet man in Kommentaren denn irgendwelche Trolle von Kritikern? – die Linie ist dünn. Und: Darf man Zynismus und Sarkasmus verwenden, wenn man berechtigte Kritik an etwas hat, wenn einen eben nicht der Neid treibt, weil es vielleicht gar nicht das Feld ist, in dem man selbst aktiv ist (entgegen des Klischees ist nicht jeder Musikkritiker ein verhinderter Musiker)? Ich würde mit Vehemenz „Ja“ sagen. Ich bin generell für die Kritik. Sie sortiert den Schrott aus, das war schon immer ihre Aufgabe. Mit dem Totschlagargument „Du bist ja nur neidisch!“ kann man außerdem schön alle Kritik mundtot machen und sich selbst einlullen darin, dass man ja eigentlich alles richtig gemacht hat.

      Nicht falsch verstehen: Ich kenne diesen Neid aus eigener Erfahrung im Netz. Auf beiden Seiten. Ich ertappe mich öfter, dass ich etwas ansehe und tatsächlich glaube „Den Schrott könnte ich aber besser!!1eins“, mir aber in dem Moment nicht die Gedanken mache, welche Arbeit dann am Ende vor allem darin steckt, es konsequent und jeden Tag zu machen. Und ich erlebe neidische und trollende Kommentare bei den Dingen, die ich jeden Tag tue. Das Phänomen ist ingesamt wohl ziemlich komplex und nicht auf den Punkt „Neid“ allein herunterzudampfen, da spielt noch viel mehr mit.


    2. // Antworten

      <3 Wie wahr. Bitte erlaube, dass ich Passagen aus deinem Kommentar zitiere, wenn ich bald über den Neid schreibe, gegen den man nicht ankommen kann? Bei diesem, find ich, ist charakteristisch, dass diejenigen, die dich spüren lassen, dass du weniger bist, kannst, wert bist, ein klares Bewusstsein davon haben, über dir zu sein, und sei es nur durch ihre Undankbarkeit, oder das Fürselbstverständlichhalten. Der Neid auf den ich mich hier beschränkt habe ist Feindseligkeit gegenüber Personen, die keinerlei böse Absichten haben.


      1. // Antworten

        Ich bin mir gar nicht sicher, ob die, die „oben“ sind, stets ein klares Bewusstsein dafür haben, dass dem so ist. Die (vermeintliche) Undankbarkeit entsteht ja oft nur aus einer Naivität des Lebens. Wenn du nie einen Mangel empfunden hast, weißt du eben nicht, was du hast. Ich würde nicht sagen, dass diese Menschen, die mich damals neidisch gemacht haben, „böse Absichten“ hatten. Ich glaube, es wird einfach immer schwerer, mit Ungerechtigkeiten des Lebens zurechtzukommen und diese als gegeben hinzunehmen. Weil wir gelernt haben, dass wir ein Recht auf das Glück haben, und zwar, bitteschön, ein mindestens „so großes Glück“ wie alle anderen auch. Das nur als Ergänzung.


  10. // Antworten

    Sagte ich „Essenzielles“? Ich meinte „Existenzielles“. Nacht!


  11. // Antworten

    „die meisten Kreativen sind nicht kreativ, weil sie sich über andere erheben wollen, sondern ganz im Gegenteil: weil sie geliebt werden wollen.“

    Ich halte es prinzipel für falsch etwas für die Aussenwirkung zu tun um einen bestimmten inneren Zustand zu erreichen. Das kann doch nur nach hinten losgehen.

    Um zu motivieren kann man ja ruhig mal ungenau sein oder schummeln, aber ausgerechnet das als Abschluss? Den Teufel mit dem Beelzebub austreiben?

    Oh, und Neid macht zwar niemals satt, aber Geiz macht auch nie hungrig.

    Schöner Artikel, guter drive.


  12. // Antworten

    Bei all den Aspekten, die benannt wurden, sollte man vielleicht auch andere Worte der deutschen Sprache nutzen und unterscheiden (manche davon sind ja gefallen): Missgunst, Misstrauen, Eifersucht, Verbitterung, Groll, etc. All das spielt sich doch auf einer mehr oder weniger tiefen (bzw. flachen) Ebene des Hasses ab, oder? Dazu die These, dass jemand andere hasst, weil er sich selbst nicht liebt. Anders ausgedrückt kann man andere nur richtig lieben, wenn man sich selbst liebt. Und von der gestörten Selbstliebe ist es nicht weit zur Depression. Aber das mag hier zu weit führen.

    Seltsamerweise ist mir der Neid fremd. Schon als jugendlicher Musiker in einer Schülerband hab ich die bewundert, die besser gespielt haben. Unser damaliger Schlagzeuger hingegen ist gar nicht erst zu Konzerten anderer Bands gegangen, deren Schlagzeuger besser war. Ich hab mir die besseren Bassisten genau angeschaut, mich wirklich über deren Können gefreut, mich vielleicht sogar angefreundet und Tipps von denen bekommen, was mich so oder so bereichert hat. Heute arbeite ich als Fotograf und kenne eigentlich nur Kollegen, die sich gegenseitig bewundern und schätzen.

    Wobei ich zu meinem wesentlichen Punkt kommen möchte: Wir bewegen uns „natürlicherweise“ immer in Gruppen anderer Menschen, die uns symphatisch sind, die ähnlich ticken, die uns verstehen, die uns mögen und vielleicht sogar bewundern. Jedenfalls bin ich gern unter Leuten, die ich bewundern kann. Ausnahmen bestätigen die Regel, denn da gibt es ein paar wenige Fotografen, die mir unsymphatisch sind, aber deren Bilder ich gut finden kann. Öfter jedoch ist es umgekehrt, nämlich dass ich keinen Kontakt zu Fotografen suche/finde, deren Bilder ich nicht mag. Aber das muss ich denen dann nicht auf die Nase binden. Unterm Strich bleiben im Wesentlichen die unter sich, die sich gegenseitig gut finden.

    Je bekannter jemand wird (und das trifft nun eben auf die oben (be)schreibenden Personen zu), desto größer wird der Kreis an Bewunderern. Gleichzeitig steigt die Wahrscheinlichkeit, auf Kritiker, Neider, Missgünstige, Eifersüchtige zu stoßen. Aber: „na und“? Räumt ihnen keinen Platz in eurem Leben ein! Es ist völlig in Ordnung, sich im Kreise derer zu tummeln, die einen mögen – und die anderen auszuklammern.

    Mein Fazit: Neid ist sinnlos. Sich mit ihm zu beschäftigen ist nicht produktiv. Die Energie steckt man lieber in Bewunderung. Denn die ist Ansporn, selbst besser zu werden.



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